Siebtklässler üben die Hightech-Zukunft


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Titel Siebtklässler üben die Hightech-Zukunft
Autor Hans-Dieter Schuh
Datum 28.3.2017
Herausgeber Kreiszeitung Böblinger Bote
Thema Technologie
Website Kreiszeitung Böblinger Bote

Siebtklässler üben die Hightech-Zukunft

Im Technik-Unterricht der Gemeinschaftsschule Weil im Schönbuch entstehen am Bildschirm Modelle für den 3D-Drucker.

Was ist eigentlich „additive Fertigung“? Das ist die Herstellung eines Produkts mit Hilfe eines 3D-Druckers. Also Hightech und eine Produktionsweise, die die Arbeitswelt verändern wird. 25 Siebtklässler der Gemeinschaftsschule Weil im Schönbuch haben über fünf Monate Gelegenheit, im regulären Unterricht alles darüber zu lernen.

WEIL IM SCHÖNBUCH. Und lernen heißt in diesem Fall nicht, dass sie von einem Pauker unter Androhung von Strafarbeiten zum Stillsitzen gezwungen werden müssen. Lernen heißt an diesem Dienstag in der vierten Stunde, dass Kursleiterin Lina Nolde mit sanfter aber klarer Stimme an dem für alle sichtbaren Bildschirm erklärt, wie man den auseinander gefallenen Kumpel des Computermännchens Steve wieder zusammenbaut. In der halben Stunde sind die Jungen und Mädchen ganz Ohr, gehen gedanklich mit und fragen nach. Und wenn Lina Nolde dann sagt, „jetzt macht mal selbst“, sind die Kids schon ganz gierig, die gerade aufgesogene Theorie in die Praxis umzusetzen. 16 PC und Bildschirme sowie zwei Laptops stehen dafür zur Verfügung.
Was hier letzten Dienstag zum dritten Mal im Computerraum im Untergeschoss der Schule zu erleben war, hat Schulleiterin Annette Pfizenmaier und ihr Team in den letzten Monaten angeleiert. „Wir haben ein tolles Projekt an Land gezogen: Create 3D“, ist sie ein bisschen stolz. An Land gezogen heißt: Es mussten jede Menge Sponsoren gefunden werden, Firmen aus der Region, die zusammen 10 000 Euro aufgebracht haben.
Geld, das jetzt fließt, um die Schüler in CAD zu schulen, also „computer-aided design“, das, was zigtausende Angestellte jeden Tag anwenden, um Autos, Flugzeuge oder Kleidung zu konstruieren und zu kreieren. Der 3D-Workshop ist der erste dieser Art an einer Schule im Kreis Böblingen. Am Ende des halbjährigen Unterrichtsprogramms sollen die Schüler eine Form konstruiert haben, die der 3D-Drucker ausspuckt und die einen USB-Stick kleiden soll – eine Comicfigur, ein Ufo, ein Haus . . .
Im Zentrum des Geschehens: die 16 PCs der Schule, die zwei Laptops der Reutlinger Firma „create-3d Zukunftslabor“ und nicht zuletzt deren Mitarbeiterin Lina Nolde. Sie setzt zusammen mit Technik-Lehrer Martin Mutschler („das ist hochspannend“) im gesamten zweiten Schulhalbjahr um, was Sinn und Zweck des Projekts ist: Die Schülerinnen und Schüler lernen im Unterricht den Umgang mit modernster digitaler Technologie und 3D-Druck, dabei werden wie von selbst technische Interessen geweckt und gefördert und – das ist vor allem die Motivation für die Schulleiterin gewesen, das Projekt anzuschieben – die Lebenswelt der Schüler mit einem Faible für Computertechnik wird verknüpft mit der Erwartungshaltung der Berufswelt. Azubis mit Erfahrung im Umgang mit dem Digitalen, der übers Computerspielen hinausgeht, haben in den Auswahlverfahren bessere Chancen. Beim Auswahlverfahren für den 3D-Workshop war schnell klar: Die Plätze reichen nicht für alle interessierte Schüler.

Platzvergabe per Losverfahren

54 hatten sich für den Kurs gemeldet und entsprechend groß war die Trauer derer, die nicht ausgelost worden sind – auch aufseiten der Eltern. Dabei ist das Lernen der CADTechnik in 15 Doppelstunden bis zu den Sommerferien alles andere als leicht. Zuerst lernen die Schüler, am Bildschirm geometrischen Formen kennen – Quader, Kreise, Dreiecke. Daraus organische Formen zu konstruieren, also zum Beispiel menschliche Figuren, „da muss man schon sehr viel denken“, sagt Kursleiterin Lina Nolde. Sie gibt seit zwei Jahren 3D-Seminare, unter anderem auch an Schulen.
„Spielerisch“ sollen die Zwölf- und 13-Jährigen die Sache angehen. Und das tun sie ganz selbstverständlich. Joshua zum Beispiel, dem der Journalist über die Schulter schaut, baut am Bildschirm gerade ein Fußballfeld auf. Er will, dass „sein“ USB-Chip bis zum Ende des Kurses die Form von Big Boy bekommt, eine berühmte Dampflok in den USA. Lydia, die ihren PC direkt daneben hat, fühlt sich „noch nicht so sicher“, wie sie zugibt. Sie hat erst mal eine Reihe von Ringen übereinandergebaut und will noch überlegen, wie ihr Chip einmal aussehen soll. Und dann wird intensiv gelernt. Der „Steve“ soll einen Zwilling bekommen aus den daneben liegenden Armen, Beinen, Körper und Kopf. Dann tritt die PC-Maus in Aktion. Lina Nolde klickt die Drehen-Werkzeuge auf dem Bildschirm an, zieht und schieb, mischt Dreifach-Klicks mit der rechten Maustaste, gruppiert die Einzelteile neu, spiegelt das Knie des Steve, damit es nicht nach hinten zeigt, und baut für den quer liegenden Kopf eine Achse, damit aus dem kopflosen Zwilling ein zweiter Steve wird.
„Das ist jetzt eure Aufgabe: den Steve auf eurem Bildschirm zusammenbauen.“ Gesagt, getan. Aufmerksame und fixe Schüler, die selbst die Lehrer zum Staunen bringen. Und die, wenn alles klappt, als künftige Tutoren, also Anleiter, zusammen mit NMTLehrer Martin Mutschler die nächste Generation beim digitalen Konstruieren unterstützen können.